Prunk und Pracht entlang der Loire
Diese Radreise hatte ich schon lange ins Auge gefasst und sie führt mich und meinen Partner entlang des Loire-Radwegs in das wunderschöne Tal, das mit seinen unzähligen Schlössern, dem kulturellen Erbe und der lebendigen Genusstradition als eine der sehenswertesten Gegenden Frankreichs gilt. Das Wetter ist herrlich und ich bin voller Vorfreude, wie Sie sich bestimmt vorstellen können! Schon die kurze Zugfahrt von der mondänen Metropole Paris in das kleine Städtchen Tours, wo diese Radreise sowohl startet als auch endet, ist ein kleines Highlight. Denn sie führt durch die geografische Mitte Frankreichs.
Frankreichs Tal der Könige
Entlang der Loire und ihren Nebenflüssen entstanden während des Hundertjährigen Krieges unzählige Befestigungsanlagen als Schutz gegen die Engländer. Viele dieser Bauwerke verfielen, aber mit Beginn der Renaissance entdeckte der französische Adel die Schönheit des Loire-Tals wieder für sich und es wurde sogar zum Zentrum der Macht. Die Ruinen wurden als imposante Residenzen wieder aufgebaut. Ende des 16. Jahrhunderts verlagerte sich das politische Zentrum wieder nach Paris und die Loire-Schlösser wurden nur mehr als Sommerresidenzen und Jagdschlösser genutzt. Rund 400 eindrucksvolle Bauwerke in allen Baustilen von Renaissance über Barock und Klassizismus sind im Loire-Tal zu sehen, viele davon sind frei zugänglich und können besichtigt werden.
Eine königliche Reise in die Vergangenheit
In Tours, einer kleinen mittelalterlich geprägten Studentenstadt, radeln wir los. Schon nach knapp 15 Kilometern erreichen wir das erste Märchenschloss: das elegante Château de Villandry. Berühmt ist es vor allem aufgrund seiner Gärten, die ein wahres Musterbeispiel einer streng formalen Gartenanlage im Stil der Renaissance sind. Während normalerweise kunstvoll gepflanzte Blumenmuster die Schlossgärten prägen, sind in Villandry verschiedenste Gemüsearten die Hauptdarsteller! In den geometrisch angelegten Beeten, eingefasst von Buchsbaumhecken, wachsen hier in perfekter Harmonie verschieden farbige Salatköpfe, Gemüsepflanzen und Kräuter. Man kommt aus dem Staunen nicht raus! Es ist einfach wunderschön und man kann sich kaum an der Pracht sattsehen.
Steht man vor dem riesigen Anwesen von Schloss Chambord, fühlt man sich augenblicklich in eine andere Zeit zurückversetzt. Es ist ein unglaublich imposanter Bau inmitten von Sümpfen und weiten Wäldern und wahrscheinlich das majestätischste der vielen Loire-Schlösser. Leonardo da Vinci hatte großen Einfluss und seine Doppelwendeltreppe gilt als Meisterwerk der Architektur. Durch seine Größe mit über 400 Zimmer, den unzähligen Türmchen, Kaminen und Giebeln ist Chambord zwar architektonisch wahnsinnig beeindruckend, aber es wirkt auf uns trotzdem etwas kalt und ungemütlich, was es vermutlich auch ist – wurde es tatsächlich nie durchgehend bewohnt!
Mein ganz persönliches Märchenschloss ist allerdings ohne Zweifel Chenonceau, ein ganz zauberhaftes Wasserschloss am Ufer der Cher, einem Nebenfluss der Loire. Wir radeln durch eine imposante Allee und stehen vor dem eleganten „Château des Dames“ – dem sogenannten „Damenschloss“. Warum es so genannt wird? Es war wohl über die Jahrhunderte immer von Frauen geprägt, unter ihnen die berühmte Katharina von Medici. Sie ließ beispielsweise die bestehende Brücke mit einer mehrstöckigen Galerie überbauen, um dem weißen, prächtigen Schloss ihre Handschrift zu verleihen. Hier sieht man immer wieder Kanufahrer durchpaddeln und die ganze Szenerie ist einfach pittoresk, wenn sich die Schlossfassade im Wasser spiegelt! Und auch die sorgfältig gepflegte Gartenanlage ist wieder ein üppiges Meer aus Rosen, Iris, Dahlien und Buchsbäumen – hier genießen wir die friedliche Atmosphäre bei einer kleinen Rast auf den Mauern des Schlosses.
Leonardo da Vinci begegnet uns auch beim nächsten Schloss wieder. Im Châteux d‘Amboise verbrachte er seine letzten Lebensjahre und ist auch hier beigesetzt. Das prachtvolle Schloss und die mittelalterliche Altstadt mit Fachwerkhäusern und Weinkellern sind leider sehr auf Massentourismus ausgerichtet, so ehrlich möchten wir sein. Aber auch hier zeigt sich ein Riesenvorteil einer individuellen Radreise, denn wir fahren einfach weiter und entdecken auch gleich das nächste Schlösschen, das sich den authentischen Charme noch bewahren konnte.
Das Tal der Genießer
Das reizvolle Loire-Tal wird nicht umsonst als Garten Frankreichs bezeichnet und begründet den Ruf als Land der Feinschmecker und Gourmets. Die Böden sind sehr fruchtbar und so werden links und rechts entlang des Flusses die herrlichsten Sorten von Getreide, Gemüse, Obst und Kräutern angebaut. Kennen Sie den Grund der großartigen Küchentradition entlang der Loire? Der Adel war schuld daran, denn der wollte schlemmen. Und auch wir probieren uns durch die Köstlichkeiten dieser kulinarisch fantastischen Region, wenn wir durch die kleinen, ursprünglichen Dörfer fahren und Rast in den Cafés, Boulangerien und Bistros machen. Wir starten den Tag gerne mit einer kleinen Sünde, einem knusprigen, luftigen Pain au Chocolat, was einfach typisch für diese Region ist. Ich freue mich, dass ich auf einem der unzähligen Märkte wieder ein Stück vom Saint-Marcellin verkosten kann, einem cremigen Weichkäse, der hier in allen Variationen gegessen wird, egal ob kalt, warm, als Vorspeise oder Dessert.
Unter Tags radeln wir an den heimischen Fischern auf ihren traditionellen Holzbooten vorbei und beobachten, wie sie Hechte, Zander, Lachs und Aale aus der Loire ziehen. Fisch ist hier eine Delikatesse in den vielfältigsten Formen: als Paté, gegrillt, geräuchert, gebraten oder gekocht mit Gemüse. Dazu ein Glas vom trocken ausgebauten Sauvignons Blanc und man lebt wirklich wie Gott in Frankreich!
Mit jedem einzelnen Kilometer, den wir auf unserer Radreise zurücklegen, spüren wir das französische Lebensgefühl und verstehen, was die großen Künstler und Schriftsteller aus ganz Europa ins Loire-Tal gezogen hat. Auch meinen Partner, der eigentlich viel lieber in den Bergen wandert, als mit dem Rad unterwegs ist, haben die unzähligen Schlösser und das besondere Flair verzaubert.